FÜHRUNGEN IN DER KRÄUTERKIRCHE
Wenn Du Hildegard von Bingen
und ihre Weisheit wirklich verstehen willst,
dann kommst Du um die Kräuterkirche
nicht herum.
Im Deckengewölbe der Kräuterkirche in Bingen-Gaulsheim finden sich 50 Portraits von Heil- und Nutzpflanzen, die nicht nur schön anzusehen sind, sondern auch – jede für sich – eine Geschichte erzählen.
Die Ursprünge der Kirche reichen zurück bis in die Zeit Hildegards von Bingen: Der Turm im romanischen Stil stammt noch aus dem 12.Jahrhundert. Die heutige Kirche wurde 1899 im neugotischen Stil neu erbaut.
Heute gilt sie als eine der schönsten Dorfkirchen Rheinhessens.
Als die Gaulsheimer Pfarrkirche in den 1970er Jahren renoviert wurde, beschlossen der damalige Pfarrer Hans Laick und der Pfarrgemeinderat, die Tradition des Würzwischs aufzugreifen und Heilkräuter, Blumen und Nutzpflanzen der Region in die Gewölbezwickel malen zu lassen.
Der Würzwisch oder Kräuterbuschen ist ein bunter Strauß verschiedenster Kräuter und Blumen, der im Gottesdienst geweiht wird.
Was heute für viele nur noch ein schöner Brauch ist, galt viele Jahrhunderte lang noch als ein wichtiges Ereignis im Jahr, denn im August entfalten die Kräuter ihre größte Heilkraft und der Würzwisch war für die Menschen so etwas wie die Hausapotheke.
Meist wurde der Strauß in der Küche aufgehängt, wo er trocknete und die Grundlage war für Tees, Umschläge oder auch Räucherwerk.
So manches Zipperlein wurde von der klugen Hausherrin behandelt und wenn der Haussegen schief hing oder bei Gewitter, wurden Kräuter im Ofen verbrannt und verräuchert, um das »Wetter« wieder ins Lot zu bringen.
Hildegard von Bingen erwähnt den Würzwisch oder die Kräuterweihe mit keinem Wort.
Trotzdem ist ihr gesamtes Werk geprägt von der Spiritualität hinter dem Würzwisch und den Kräutertraditionen der kleinen Leute.
Wie das zusammenhängt, darum geht es bei den Führungen in der Kräuterkirche.
Diesind das ganze Jahr über möglich.
Eine Führung ist kostenlos und dauert ca. 1 Stunde.
Ansprechpartner: Jan Frerichs ofs
Die Kräuterkirche steht am Eingang zu den Rheinauen, die eines der bedeutendsten Natur- und Vogelschutzgebiete Deutschlands sind. Die beiden Rheininseln »Fulder Aue« und »Ilmen Aue« geben dem Naturschutzgebiet den Namen.
Die Gaulsheimer Wiesen wurden jahrhundertelang für Ackerbau und Viehzucht genutzt. Heute liegen sie größtenteils brach und sind zusammen mit den Stillwasserflächen nicht nur ein Paradies für Zugvögel. Sie bieten auch Heimat für viele Kräuter. Hier spürt man noch, wie üppig die Natur am Rhein einmal gewesen sein muss.
DIE TRADITION DER KRÄUTERWEIHE
Die Zeit rund um das Hochfest Mariä Himmelfahrt am 15. August ist vielerorts von der Kräuterweihe bestimmt.
Seit wann genau die Weihe mit dem Fest Mariä Himmelfahrt verbunden ist, weiß niemand genau. Die Wurzeln der Kräuterweihe reichen weit zurück in vorchristliche Zeit.
Erste Zeugnisse für die Kräuterweihe finden sich im 9. Jahrhundert. Maria wird aber schon seit dem 5. Jahrhundert als »guter und heiliger Acker« verehrt, der eine göttliche Ernte gebracht hat, woraus sich die Darstellung einer Maria im Ährenkleid entwickelte.
Die Gottesmutter wird überdies als »Blume des Feldes und Lilie in den Tälern« (Hoheslied 2,1) bezeichnet und das passt gut zur Getreidereife und Hochblüte im August.
»Unsere liebe Frau geht über das Land, sie trägt den Himmelsbrand in ihrer Hand«, heißt es im Volksglauben. Himmelsbrand ist ein alter Name für die Königskerze, die Pflanze, die den Mittelpunkt des Würzwischs bildet und auch Marienkerze genannt wird.
Um die Königskerze gruppieren sich dann weitere Kräuter und Blumen, immer in heiliger Zahl: Mindestens 7 sind es, aber auch 9er,12er,15er, 77er oder 99er sind möglich.
Die Malereien im Gewölbe der Kräuterkirche zeigen nicht nur die typischen Heilkräuter der Würzwischtradition wie Schafgarbe, Wermut, Beifuß, Tausendgüldenkraut oder Johanniskraut. Sie zeigen auch Getreide- und Rebsorten sowie Blumen, die einfach nur schön sind, und auch Kräuter, die keinen Heilnutzen haben. Sie sind einfach da.